About / Texte / Ute Hübner

Worte, Zeichen, Notationen
im Werk von Bettina Rave

Seite 2/2

Raves bildliche Vorstellung geht immer einher mit persönlichen, ganz individuellen Assoziationen und Erinnerungen sowie der Fähigkeit, unterschiedliche Einzelbilder miteinander zu verknüpfen, neu zu kontextualisieren und zu hinterfragen.

Eine Erweiterung des Sehens, des Empfindens tritt ein, spürbar in der Arbeit „uferlos“ (2003), einer Reihe von Fotogrammen. Die Text-Bild-Kombinationen setzen sich zusammen aus Exzerpten des Buches „Fragmente einer Sprache der Liebe“ des Zeichentheoretikers Roland Barthes („Fragments d’un discours amoreux“, 1977) und weißlichen Blüten.

Hier wird das Bild nicht einfach als Schrift, die Schrift nicht einfach als Bild wahrnehmbar. Vielmehr kommt es zu einem Zusammenspiel, zu einer Überlagerung von Schrift und Bild, was den suggestiven Charakter ihrer Werke ausmacht.

Denn bei aller Verknappung der Texte über die Liebe erfolgt gleichzeitig eine poetische Aufladung durch die augenblickliche Verewigung der Blüten in den jeweiligen Fotogrammen, die somit auch ihre Zeitlichkeit impliziert. Ihre Arbeiten sind frei von ideologischen Ansprüchen und Überhöhungen. Sie haben vielmehr die Fähigkeit, Erinnerungs- und Denkprozesse in Gang zu setzten.

Bettina Rave arbeitet im Spannungsfeld zwischen konzeptueller Kunst und essentieller Malerei und fügt diesen Traditionen ihre ganz eigenen, individuellen ästhetischen Erfahrungen und auch Sehnsüchte hinzu. Hier entstehen sehr eigenständige, durchaus auch sperrige Arbeiten, wenn sie sich einzelner Notationen wie Strichcodes oder der Morseschrift bedient, wie im vierteiligen „Liebesbrief“ (2016), einer Hommage an die Malerin Agnes Martin.

Dazu hat Bettina Rave einen eigenen Text in die Morseschrift übertragen. Sie erforscht in dieser bewussten Minimalisierung das Bild rational und emotional, ist sich dabei ebenso bewusst, dass dem verschlüsselten Text in diesem Fall auch ein akustischer Wert innewohnt, was die visuelle Transformation und ihre Intensität zusätzlich unterstreicht. Ihr Gestaltungsinteresse ist gleichzeitig Erkenntnisinteresse.

Raves Kunst kann durchaus als eine Antwort auf die mediale Un-Wirklichkeit verstanden werden, wo neben einem Überangebot an vermittelten Nachrichten ein eklatantes Defizit an unmittelbarer persönlicher Erfahrung und Rezeption festzustellen ist.

Die Frage nach der Bedeutung von Schrift – einem schnell decodierbaren Zeichensystem – stellt deshalb spannenderweise auch die Frage nach dem Status des Bildhaften und Sichtbaren neu, und was diese nun von einem normalen decodierbaren Text mit Textbotschaft unterscheidet. Der Bildwissenschaftler Gottfried Boehm setzt dabei generell auf die „Eigenlogik“ der Bilder, die in ihrer spezifischen Form einen Sinn oder eine Wirkung erzeugen.

Selbst wenn einige Betrachter ihrer Werke angesichts dieser manchmal fast hermetischen Chiffrierung zunächst etwas ratlos bleiben sollten, merken sie später, dass sie diese Bilder immer noch auf der Netzhaut spüren, auch wenn sie den Raum längst verlassen haben.

Auch das macht ihre Faszination aus, aber auch ihre Eigenständigkeit. Bettina Raves Arbeiten bewähren sich als sublime, poetische Bildwelten mit einem Gespür für sinnliche Präsens.

Worte, Zeichen, Notationen
im Werk von Bettina Rave

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Raves bildliche Vorstellung geht immer einher mit persönlichen, ganz individuellen Assoziationen und Erinnerungen sowie der Fähigkeit, unterschiedliche Einzelbilder miteinander zu verknüpfen, neu zu kontextualisieren und zu hinterfragen.

Eine Erweiterung des Sehens, des Empfindens tritt ein, spürbar in der Arbeit „uferlos“ (2003), einer Reihe von Fotogrammen. Die Text-Bild-Kombinationen setzen sich zusammen aus Exzerpten des Buches „Fragmente einer Sprache der Liebe“ des Zeichentheoretikers Roland Barthes („Fragments d’un discours amoreux“, 1977) und weißlichen Blüten.

Hier wird das Bild nicht einfach als Schrift, die Schrift nicht einfach als Bild wahrnehmbar. Vielmehr kommt es zu einem Zusammenspiel, zu einer Überlagerung von Schrift und Bild, was den suggestiven Charakter ihrer Werke ausmacht.

Denn bei aller Verknappung der Texte über die Liebe erfolgt gleichzeitig eine poetische Aufladung durch die augenblickliche Verewigung der Blüten in den jeweiligen Fotogrammen, die somit auch ihre Zeitlichkeit impliziert. Ihre Arbeiten sind frei von ideologischen Ansprüchen und Überhöhungen. Sie haben vielmehr die Fähigkeit, Erinnerungs- und Denkprozesse in Gang zu setzten.

Bettina Rave arbeitet im Spannungsfeld zwischen konzeptueller Kunst und essentieller Malerei und fügt diesen Traditionen ihre ganz eigenen, individuellen ästhetischen Erfahrungen und auch Sehnsüchte hinzu. Hier entstehen sehr eigenständige, durchaus auch sperrige Arbeiten, wenn sie sich einzelner Notationen wie Strichcodes oder der Morseschrift bedient, wie im vierteiligen „Liebesbrief“ (2016), einer Hommage an die Malerin Agnes Martin.

Dazu hat Bettina Rave einen eigenen Text in die Morseschrift übertragen. Sie erforscht in dieser bewussten Minimalisierung das Bild rational und emotional, ist sich dabei ebenso bewusst, dass dem verschlüsselten Text in diesem Fall auch ein akustischer Wert innewohnt, was die visuelle Transformation und ihre Intensität zusätzlich unterstreicht. Ihr Gestaltungsinteresse ist gleichzeitig Erkenntnisinteresse.

Raves Kunst kann durchaus als eine Antwort auf die mediale Un-Wirklichkeit verstanden werden, wo neben einem Überangebot an vermittelten Nachrichten ein eklatantes Defizit an unmittelbarer persönlicher Erfahrung und Rezeption festzustellen ist.

Die Frage nach der Bedeutung von Schrift – einem schnell decodierbaren Zeichensystem – stellt deshalb spannenderweise auch die Frage nach dem Status des Bildhaften und Sichtbaren neu, und was diese nun von einem normalen decodierbaren Text mit Textbotschaft unterscheidet. Der Bildwissenschaftler Gottfried Boehm setzt dabei generell auf die „Eigenlogik“ der Bilder, die in ihrer spezifischen Form einen Sinn oder eine Wirkung erzeugen.

Selbst wenn einige Betrachter ihrer Werke angesichts dieser manchmal fast hermetischen Chiffrierung zunächst etwas ratlos bleiben sollten, merken sie später, dass sie diese Bilder immer noch auf der Netzhaut spüren, auch wenn sie den Raum längst verlassen haben.

Auch das macht ihre Faszination aus, aber auch ihre Eigenständigkeit. Bettina Raves Arbeiten bewähren sich als sublime, poetische Bildwelten mit einem Gespür für sinnliche Präsens.