About / Texte / Esther Slevogt

Jenseits des Sehens – Leinwand,
Magnetband, Datenträger

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Auch in ihrer Malerei thematisiert sie die Dialektik von Bild und Material. Auf den Ölgemälden des Zyklus „Suchlauf“ (1998-2005) beispielsweise sind vordergründig Naturerscheinungen wie von unterschiedlichen Witterungen geprägte Himmel oder Wiesen zu sehen, die jedoch stets von einer Reihe von Streifen durchzogen sind: ähnlich einem „laufenden“ Videobild, wo der Betrachter durch die Streifen (sogenannte Drop-Outs) hindurch auf das nackte Material, also das Magnetband blickt, eröffnet Bettina Rave durch diese Auslassungen auch in ihren Gemälden den Blick auf den Bildträger selbst.

Es sind oft Basis-Stoffe der Schöpfung, das archaische Material, aus dem die Welt gemacht ist, die Bettina Rave zum Gegenstand ihrer Bilder macht: Himmel, Wasser, Natur, Gestirne. Diesem Basismaterial werden die Werkstoffe der Kunst gegenübergestellt: Bildträger wie Nesselstoff, Zelluloid, Magnetbänder und Farben, Leinwandgrundierungen oder Objektive, durch die das Licht Filmmaterial (ähnlich der Netzhaut des menschlichen Auges) beschreiben kann.

In ihrem Video „Bruit Blanc“ wird die spröde Romantik der verschwommenen Schwarz-Weiß-Bilder des wogenden Schilffeldes mit einer Tonspur orchestriert: Zunächst ist ein drohender digitaler Soundcluster zu hören, der Assoziationen an Sturm- und Windgeräusche weckt.

Bald kommt ein digital verfremdetes Stimmengewirr hinzu, das im weiteren Verlauf langsam entzerrt wird und sich schließlich als Aufzählung von Farben durch eine einzelne Männerstimme herausstellt.

Im gleichen Maße wie das Bild undeutlicher wird, werden die Farbnamen in der Aufzählung immer klarer verständlich: „Alizarin Krapplack hell, Tube zu fünfzehn Milliliter neun Mark neunundfünfzig, Tube zu fünfunddreißig Milliliter fünfzehn Mark neunzig, Alizarin Krapplack Mittel …“ usw. Es sind Handelslisten der Firma H. Schmincke & Co, die mit Farben für Künstler handelt, wie man schließlich im Abspann erfährt.

Über ihrer Verlesung wird bald eine weitere, zunächst noch undeutlich vernehmbare weibliche Stimme hörbar, die Arthur Rimbauds berühmtes Gedicht „Bateau Ivre“ spricht, ein surrealistischer Bilderrausch aus Worten, die immer verständlicher werden, während das Filmbild grafischer und abstrakter wird, und langsam zerfällt. Bis überhaupt keine Bildsignale mehr übrig sind, und auf dem Bildschirm nur noch das weiße Rauschen zu sehen ist, das dem Video den Titel gab.

Im Video „Saudade“ (1995) ist die Kamera aus nächster Nähe auf Naturerscheinungen wie Wasser, Schaumkronen auf Wellen oder Eisstücke in einem winterlichen Meer gerichtet, die auf diesem Weg die gefilmten Naturerscheinung als Bildausschnitt aus dem Gesamtkontext herauslöst.

So sind sie nicht mehr ohne Weiteres als die realistischen Abbilder (die sie ja in Wirklichkeit sind) erkennbar, sondern wirken zunächst wie abstrakte Muster und Strukturen in Bewegung. Erst nach einer Weile ist die Imagination des Betrachters in der Lage, die Bildausschnitte zuzuordnen.

Das Verfahren des radikal vergrößerten Bildausschnitts von „Saudade“, der eine ganz eigene Formsprache generiert, und das Verhältnis der Vorstellungen von konkret und abstrakt, realistisch und surrealistisch auf dem Kopf stellt, findet sich auch in Bettina Raves Installation „Querfeldein“ (1998/99) wieder – diesmal auf die Malerei übertragen.

Die Installation setzt sich aus 64 Einzelbildern zusammen, die jeweils 30×40 Zentimeter groß sind und in der Summe wie ein impressionistischer Basisbausatz der Naturerscheinungen und –eindrücke wirken. Himmel, Wolken, Wiesen, schlammige Erdfarben. Sie lassen sich beliebig hängen und kombinieren, es gibt keine Abbildungshierarchie, welche die einzelnen Objekte der Installation zueinander in ein Verhältnis setzt.

Jenseits des Sehens – Leinwand,
Magnetband, Datenträger

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Auch in ihrer Malerei thematisiert sie die Dialektik von Bild und Material. Auf den Ölgemälden des Zyklus „Suchlauf“ (1998-2005) beispielsweise sind vordergründig Naturerscheinungen wie von unterschiedlichen Witterungen geprägte Himmel oder Wiesen zu sehen, die jedoch stets von einer Reihe von Streifen durchzogen sind: ähnlich einem „laufenden“ Videobild, wo der Betrachter durch die Streifen (sogenannte Drop-Outs) hindurch auf das nackte Material, also das Magnetband blickt, eröffnet Bettina Rave durch diese Auslassungen auch in ihren Gemälden den Blick auf den Bildträger selbst.

Es sind oft Basis-Stoffe der Schöpfung, das archaische Material, aus dem die Welt gemacht ist, die Bettina Rave zum Gegenstand ihrer Bilder macht: Himmel, Wasser, Natur, Gestirne. Diesem Basismaterial werden die Werkstoffe der Kunst gegenübergestellt: Bildträger wie Nesselstoff, Zelluloid, Magnetbänder und Farben, Leinwandgrundierungen oder Objektive, durch die das Licht Filmmaterial (ähnlich der Netzhaut des menschlichen Auges) beschreiben kann.

In ihrem Video „Bruit Blanc“ wird die spröde Romantik der verschwommenen Schwarz-Weiß-Bilder des wogenden Schilffeldes mit einer Tonspur orchestriert: Zunächst ist ein drohender digitaler Soundcluster zu hören, der Assoziationen an Sturm- und Windgeräusche weckt.

Bald kommt ein digital verfremdetes Stimmengewirr hinzu, das im weiteren Verlauf langsam entzerrt wird und sich schließlich als Aufzählung von Farben durch eine einzelne Männerstimme herausstellt.

Im gleichen Maße wie das Bild undeutlicher wird, werden die Farbnamen in der Aufzählung immer klarer verständlich: „Alizarin Krapplack hell, Tube zu fünfzehn Milliliter neun Mark neunundfünfzig, Tube zu fünfunddreißig Milliliter fünfzehn Mark neunzig, Alizarin Krapplack Mittel …“ usw. Es sind Handelslisten der Firma H. Schmincke & Co, die mit Farben für Künstler handelt, wie man schließlich im Abspann erfährt.

Über ihrer Verlesung wird bald eine weitere, zunächst noch undeutlich vernehmbare weibliche Stimme hörbar, die Arthur Rimbauds berühmtes Gedicht „Bateau Ivre“ spricht, ein surrealistischer Bilderrausch aus Worten, die immer verständlicher werden, während das Filmbild grafischer und abstrakter wird, und langsam zerfällt. Bis überhaupt keine Bildsignale mehr übrig sind, und auf dem Bildschirm nur noch das weiße Rauschen zu sehen ist, das dem Video den Titel gab.

Im Video „Saudade“ (1995) ist die Kamera aus nächster Nähe auf Naturerscheinungen wie Wasser, Schaumkronen auf Wellen oder Eisstücke in einem winterlichen Meer gerichtet, die auf diesem Weg die gefilmten Naturerscheinung als Bildausschnitt aus dem Gesamtkontext herauslöst.

So sind sie nicht mehr ohne Weiteres als die realistischen Abbilder (die sie ja in Wirklichkeit sind) erkennbar, sondern wirken zunächst wie abstrakte Muster und Strukturen in Bewegung. Erst nach einer Weile ist die Imagination des Betrachters in der Lage, die Bildausschnitte zuzuordnen.

Das Verfahren des radikal vergrößerten Bildausschnitts von „Saudade“, der eine ganz eigene Formsprache generiert, und das Verhältnis der Vorstellungen von konkret und abstrakt, realistisch und surrealistisch auf dem Kopf stellt, findet sich auch in Bettina Raves Installation „Querfeldein“ (1998/99) wieder – diesmal auf die Malerei übertragen.

Die Installation setzt sich aus 64 Einzelbildern zusammen, die jeweils 30×40 Zentimeter groß sind und in der Summe wie ein impressionistischer Basisbausatz der Naturerscheinungen und –eindrücke wirken. Himmel, Wolken, Wiesen, schlammige Erdfarben. Sie lassen sich beliebig hängen und kombinieren, es gibt keine Abbildungshierarchie, welche die einzelnen Objekte der Installation zueinander in ein Verhältnis setzt.