About / Texte / Esther Slevogt

Jenseits des Sehens – Leinwand,
Magnetband, Datenträger

Seite 3/4

Im weiteren Verlauf des Videos „Saudade“ lässt die Geschwindigkeit einer Straßenbahn die durch ihre Fenster mit der Kamera aufgenommenen Bilder der Stadt sich in Farben und Formen auflösen. Dafür wirken die Bildvorstellungen, die Stimmen auf der Tonspur des Videos artikulieren, umso konkreter. Bettina Rave hat dafür unterschiedlichste Frauen nach inneren oder äußeren Seh-Wünschen gefragt.

So konterkarieren die fragmentarischen wie vergleichsweise gegenständlichen Schilderungen dieser imaginierten Bilder auf der Tonebene das Flüchtige und Verschwimmende der im Film sichtbaren Bildebene, die davon erzählt, wie sehr das, was wir überhaupt sehen von den Bedingungen und Möglichkeiten des Sehens als physischem Vorgang geprägt wird und abhängig ist.

In dieser meditativen Reflexion über Möglichkeiten und Bedingungen des Sehens, die Bettina Rave mit einem nahezu unübersetzbaren portugiesischen Begriff für ein indifferentes Sehnsuchts- und Verlustgefühl überschrieben hat, hat sie ein weiteres Mal Bildträger und künstlerische Reproduktionstechniken (hier das Filmen) thematisiert, Einflüsse von Einstellungslängen und Brennweiten des Objektivs, von Abspielgeschwindigkeiten und nicht zuletzt dem Aufzeichnungsmaterial.

Das Medium ist in Bettina Raves Arbeiten nie zu trennen von seinem Inhalt, das Material immer auch Teil dessen, was mit Hilfe dieses Materials dargestellt und ausgedrückt wird.

Denn was wir sehen, nehmen wir ja selten direkt noch wahr. Der Blick ist formatiert durch mediale Sehgewohnheiten, Bildschirme, Bildgrößen der medial vollkommen durchgestylten Benutzeroberfläche, als die heute alle Wirklichkeit zunächst erscheint.

Daher bezieht Bettina Rave bereits die Proportionen ihrer Bilder so gut wie immer auf das klassische Bildschirmverhältnis 4:3, manchmal auch auf das Kino-Breitwandformat 16:9.

Der Betrachter und sein (Sicht)verhältnis zum Bild ist also stets mitgedacht. Die Phänomene selbst, um deren Abbildung und Erfassung all diese technischen und künstlerischen skills, (und nicht zuletzt auch der Sicht-Sinn des Menschen selbst) sich in diesem Werk bemühen, bleiben im Vagen, werden niemals selber sichtbar, sondern höchstens als flüchtige Schatten, Farben oder Formen greifbar.

Oder sie brechen plötzlich aus einer fast archaischen Stille hervor, wie die Details des nackten Frauenkörpers, den zwei langsame Kamerafahrten in dem Schwarz-Weiß-Video „still“ (1997) erkunden.

Da ist zunächst der vage Eindruck einer Hand, eines Frauengesichts, dann eine Landschaft aus Haut, die sich im Rhythmus des Atems hebt und senkt. Genaue Rückschlüsse und physiognomische Verortung der Bilder sind jedoch kaum möglich, bis sich plötzlich in kruder Deutlichkeit Schamhaare erheben. Langsam fährt die Kamera darüber und bald auch mitten über die weibliche Scham hinweg.

Das Verfahren in „still“ ist ähnlich wie bei „Saudade“: Die enorme Nähe des Kameraobjektivs zum gefilmten Gegenstand erzeugt zunächst eine Verfremdung: Hier ist es nun die zerklüftet wirkende Oberfläche der Haut, die fast surreal wirkende Plastizität der Haare.

Doch in dem Maße, wie der Bildgegenstand sich dann plötzlich und beinahe schockhaft erschließt, entzieht er sich dem Blick.

Jenseits des Sehens – Leinwand,
Magnetband, Datenträger

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Im weiteren Verlauf des Videos „Saudade“ lässt die Geschwindigkeit einer Straßenbahn die durch ihre Fenster mit der Kamera aufgenommenen Bilder der Stadt sich in Farben und Formen auflösen. Dafür wirken die Bildvorstellungen, die Stimmen auf der Tonspur des Videos artikulieren, umso konkreter. Bettina Rave hat dafür unterschiedlichste Frauen nach inneren oder äußeren Seh-Wünschen gefragt.

So konterkarieren die fragmentarischen wie vergleichsweise gegenständlichen Schilderungen dieser imaginierten Bilder auf der Tonebene das Flüchtige und Verschwimmende der im Film sichtbaren Bildebene, die davon erzählt, wie sehr das, was wir überhaupt sehen von den Bedingungen und Möglichkeiten des Sehens als physischem Vorgang geprägt wird und abhängig ist.

In dieser meditativen Reflexion über Möglichkeiten und Bedingungen des Sehens, die Bettina Rave mit einem nahezu unübersetzbaren portugiesischen Begriff für ein indifferentes Sehnsuchts- und Verlustgefühl überschrieben hat, hat sie ein weiteres Mal Bildträger und künstlerische Reproduktionstechniken (hier das Filmen) thematisiert, Einflüsse von Einstellungslängen und Brennweiten des Objektivs, von Abspielgeschwindigkeiten und nicht zuletzt dem Aufzeichnungsmaterial.

Das Medium ist in Bettina Raves Arbeiten nie zu trennen von seinem Inhalt, das Material immer auch Teil dessen, was mit Hilfe dieses Materials dargestellt und ausgedrückt wird.

Denn was wir sehen, nehmen wir ja selten direkt noch wahr. Der Blick ist formatiert durch mediale Sehgewohnheiten, Bildschirme, Bildgrößen der medial vollkommen durchgestylten Benutzeroberfläche, als die heute alle Wirklichkeit zunächst erscheint.

Daher bezieht Bettina Rave bereits die Proportionen ihrer Bilder so gut wie immer auf das klassische Bildschirmverhältnis 4:3, manchmal auch auf das Kino-Breitwandformat 16:9.

Der Betrachter und sein (Sicht)verhältnis zum Bild ist also stets mitgedacht. Die Phänomene selbst, um deren Abbildung und Erfassung all diese technischen und künstlerischen skills, (und nicht zuletzt auch der Sicht-Sinn des Menschen selbst) sich in diesem Werk bemühen, bleiben im Vagen, werden niemals selber sichtbar, sondern höchstens als flüchtige Schatten, Farben oder Formen greifbar.

Oder sie brechen plötzlich aus einer fast archaischen Stille hervor, wie die Details des nackten Frauenkörpers, den zwei langsame Kamerafahrten in dem Schwarz-Weiß-Video „still“ (1997) erkunden.

Da ist zunächst der vage Eindruck einer Hand, eines Frauengesichts, dann eine Landschaft aus Haut, die sich im Rhythmus des Atems hebt und senkt. Genaue Rückschlüsse und physiognomische Verortung der Bilder sind jedoch kaum möglich, bis sich plötzlich in kruder Deutlichkeit Schamhaare erheben. Langsam fährt die Kamera darüber und bald auch mitten über die weibliche Scham hinweg.

Das Verfahren in „still“ ist ähnlich wie bei „Saudade“: Die enorme Nähe des Kameraobjektivs zum gefilmten Gegenstand erzeugt zunächst eine Verfremdung: Hier ist es nun die zerklüftet wirkende Oberfläche der Haut, die fast surreal wirkende Plastizität der Haare.

Doch in dem Maße, wie der Bildgegenstand sich dann plötzlich und beinahe schockhaft erschließt, entzieht er sich dem Blick.